Weltbild, Selbstbild, Körperbild
... sind Vorstellungen, die Menschen von der Welt, sich selbst und ihrem Körper haben. Manchmal sind Menschen mit ihren Vorstellungen heute jedoch eher verloren und orientierungslos, als dass sie sich auf haltgebende innere Bilder stützen können. Dass Vorstellungen bezüglich der Welt, bezüglich der eigenen Person und des Körpers sehr unterschiedlich sind, setzt eine konzeptionelle Freiheit des Menschen voraus. Der Mensch muss ein sich selbst bestimmen könnendes Wesen sein, wenn Individuen unterschiedliche Selbst- und Körperkonzepte entwickeln. Daher können wir sie auch verändern! Oder sind wir durch unsere Geburt und Erziehung doch zu stark festgelegt? Inwiefern bestimmen unbewusste innere Bilder unser Leben?
Inwiefern sind wir noch selbstbestimmt neben dem großen Einfluss, den auch genetische und soziokulturelle Prägungen auf uns haben - und uns mitformen? Ist der moderne, der nicht determinierte Mensch möglicherweise heute sogar dazu aufgerufen, sich seine inneren Bilder mehr zu vergegenwärtigen? Die Probleme von heute drängen, die Apelle nach Verantwortung und Selbstwirksamkeit sind ernst. Es zeigt sich längst, dass analytisches Denken und Bildung allein nicht ausreichen, denn ...
"Wir haben ein Leben, das über unseren Verstand hinausreicht!" (Ai Weiwei, chinesischer Künstler)
Welt-, Selbst- und Körperbild sind persönliche Konzepte des Individuums. Tatsächlich sind sie zunächst überwiegend unbewusst, vor allem bei der äußeren Bilderflut, die tagtäglich auf uns einströmt und unsere Aufmerksamkeit im Außen bindet. Doch sind wir durchaus befähigt, uns Wesentliches dazu bewusst zu machen. Sie umfassen Annahmen und Überzeugungen, was der Mensch von Natur aus ist und wie man zu sein hat. Solche inneren Konzepte geben vor, wie man in seinem sozialen und materiellen Umfeld zu leben hat, welche Werte vertreten werden, wie man auszusehen hat, was man verkörpern soll und wo die Grenzen des Akzeptablen liegen. Sie beinhalten auch, welche religiösen oder philosophischen Grundüberzeugungen man vertritt. An dieser Stelle differenziere ich bewusst nicht, sondern werfe alle drei Begriffe - Weltbild, Selbstbild und Körperbild - in einen gemeinsamen Topf, denn aus ganzheitlicher Sicht sind sie alle sehr eng miteinander verknüpft - da bedingt eines das andere.
Die Psychoanalytikerin Susie Orbach bemerkt: "Körperprobleme, ob sie sich nun in Essstörungen oder selbstverletzendem Verhalten äußern, sind in den Therapiepraxen allgegenwärtig. Das ist neu. Ich konnte diesen rasanten Ausbreitungsprozess während meines Berufslebens verfolgen. Er fällt zeitlich mit der zwanghaften kulturellen Fokussierung auf den Körper zusammen. Überall finden wir Ausdrucksformen der Suche nach einem Körper." (Bodies - Schlachtfelder der Schönheit, S. 92) Und Körperprobleme betreffen längst nicht nur die hier angesprochenen Erkrankungen (Essstörungen und selbstverletzendes Verhalten) - sie sind auch bei anderen Krankheitsbildern gehäuft anzutreffen. Hypochondrische Körperängste führen dazu, dass dabei Körperfunktionen ständig ängstlich beobachtet und kontrolliert werden. Es geht hier um eine Art Körperinstabilität, wie wir sie mittlerweile nicht nur bei psychosomatischen Erkrankungen beobachten. Mit besonderer Aufmerksamkeit können wir sehen, wie Verunsicherung in Bezug auf den eigenen Körper mehr und mehr um sich greift. Susie Orbach spricht sogar von einer "versteckten Gesundheitskatastrophe" (Bodies - Schlachtfelder der Schönheit, S. 20).
"[Bei der] Wiederkehr des Körpers [...] lassen sich [...] massive Entfremdungsprozesse ausmachen, blickt man auf die zerstörerischen Seiten des Leistungssports (Stichwort Doping) oder auf die körper-orientierten Lifestyle-Bewegungen, die beim Styling eines perfekten Körpers selbst auf riskante Drogen oder serielle OP' s zurückgreifen. Sie sind auf ein reduktionistisches, allein auf physische Fitness begrenztes Verständnis von körperlicher Gesundheit, die einen Körper fit für den Konsum macht, einen Körper, der sich in Überlastung und Exzessen selbst konsumiert," sagt der Philosoph und Psychotherapeut Petzold (in "Leiblichkeit als informierter Leib" in Menschenbilder in der Psychotherapie, Hg. Hilarion G. Petzold, S. 249) Doch es reicht nicht aus, lediglich das moderne westliche Gesundheits- und Schönheitsverständnis kritisch zu hinterfragen.
"Körperhass ist mittlerweile ein heimlicher westlicher Exportschlager", so die Psychoanalytikerin Susie Orbach (Bodies - Schlachtfelder der Schönheit, S. 21), und sie benennt erschütternde Belege dazu. Bei diesem Problem reiche es längst nicht mehr aus, die individuell psychologischen Ursachen zu betrachten und erklären zu können: "Das kartesianische und freudianische Konzept des Körpers erscheint heute unzulänglich. Das Psyche-Körper Verhältnis verändert sich. Orthodoxe psychoanalytische Theorien über die Fähigkeit der Psyche, den Körper zu beeinflussen reicht nicht mehr aus. In dieser Zeit der Körperinstabilität wird immer klarer, dass der natürliche Körper eine Fiktion ist. Wir müssen dringend neu über den Körper nachdenken." ( Susie Orbach, Bodies - Schlachtfelder der Schönheit, S. 14) Es geht um globale Auswirkungen eines westlich importierten Körperbild-Ideals, aber auch um Suchtphänomene, die letztendlich suggerieren: Wenn jemand diesen Standard nicht erreicht, dann wird es sein ganz persönliches Versagen stigmatisieren. "Die sind ja selber Schuld", heißt es dann! Wir kennen das im Umgang mit Adipositas und Sucht. Projektiv bei anderen und im Außen untergebracht bleiben dabei pervertierte Gesellschaftsnormen unreflektiert, denen bagatellisiert weiter nachgeeifert wird, anstatt sie als krankmachende Leitsterne des eigenen Geistes wahrzunehmen.
Auch in diesem Kontext muss der Embodiment Diskurs heute gesehen werden! Für eine ganzheitliche Psychotherapie vertrete ich deshalb in meiner Praxis ein beseeltes Menschen-, Körper- und Weltbild, das sich vom bio-psycho-sozialen Menschenbild der Richtlinienverfahren abgrenzt. In nachfolgenden Artikeln werde ich noch differenzierter darauf eingehen.
Bild zur Meldung: Weltbild, Selbstbild, Körperbild